07.11.2022

Marktkommentar | Delisting von Linde: Quo vadis, DAX?

Delisting von Linde: Quo vadis, DAX?

Es war eine Meldung, die für große Resonanz sorgte: Ende Oktober gab Linde bekannt, die Frankfurter Börse verlassen zu wollen. Die Aktien sollen künftig nur noch an der New York Stock Exchange gehandelt werden. Wie das Delisting zu beurteilen ist und welche Folgen es für den DAX haben könnte, erläutert Dr. Ernst Konrad, Lead Portfolio Manager bei Eyb & Wallwitz.

Obwohl der Rückzug von der Frankfurter Börse noch gar nicht beschlossen ist, verursachte allein die Ankündigung, den Aktionären das Delisting vorschlagen zu wollen, einen deutlichen Kursrückgang. Konrad hält die Reaktion der Anleger für unverhältnismäßig. „Der Handelsplatz Frankfurt hat für Linde gar nicht mehr die Bedeutung, die ihm zugeschrieben wird.” Deutlich werde dies am Handelsvolumen: „Nur gut fünf Prozent der Aktien werden an der Deutschen Börse gehandelt. Der Großteil, nämlich mehr als 60 Prozent, wird schon jetzt in New York abgewickelt.” Das Delisting passt auch zum schrittweisen Abschied des Unternehmens aus Deutschland. „Gern wird bei Linde immer noch auf die lange deutsche Tradition verwiesen. Tatsächlich ist es bereits seit geraumer Zeit kein deutsches Unternehmen mehr.” Der Industriekonzern fusionierte im Jahr 2018 mit seinem USKonkurrenten Praxair. Ihren Sitz hat die neu gegründete Linde plc. seitdem in Irland. Nach Ansicht von Konrad spielt der Sitz eines Unternehmens bei Investment-Überlegungen von Anlegern überhaupt eine tragende Rolle mehr. Vielmehr kommt es auf die Stellung im internationalen Wettbewerbsumfeld und die Zukunftsfähigkeit des Geschäftsmodells an.

 

Mit Linde verlässt ein Schwergewicht den DAX

Viel entscheidender ist laut Konrad ein anderer Aspekt: Mit einer Marktkapitalisierung von 145 Milliarden Euro ist Linde der aktuell wertvollste Konzern im DAX. Das Unternehmen überschreitet regelmäßig die sogenannte Kappungsgrenze von 10 Prozent. Sie sieht vor, dass europäische Investmentfonds, die den DAX abbilden, Wertpapiere der Linde verkaufen müssen, sobald deren Anteil 10 Prozent übersteigt.

Konrad rät, mögliche Implikationen des Rückzugs auf den DAX zu bedenken. Die Ankündigung zeige, dass der DAX für deutsche Investoren an Relevanz verliere. „Wie wird der deutsche Leitindex in 10 bis 20 Jahren aussehen? In welchen Bereichen werden deutsche Unternehmen überhaupt noch in der Weltspitze vertreten sein?” Dies seien zentrale Fragen, die nun im Fokus stünden, so Konrad.

Zwar hat die Deutsche Börse aus dem Skandal um Wirecard gelernt und den DAX um weitere 10 Titel erweitert. Da diese jedoch mehrheitlich aus dem Bereich E-Commerce und Lieferdienste stammen, hatten Anleger bislang wenig Freude. Im Gegenteil, der DAX hat weiter an Relevanz für internationale Anleger eingebüßt.

 

DISCLAIMER Dieser Artikel enthält die gegenwärtigen Meinungen des Autors, aber nicht notwendigerweise die der Eyb & Wallwitz Vermögensmanagement GmbH. Diese Meinungen können sich jederzeit ändern, ohne dass dies mitgeteilt wird. Der Artikel dient der Unterhaltung und Belehrung und ist kein Anlagevorschlag bezüglich irgendeines Wertpapiers, eines Produkts oder einer Strategie. Die Informationen, die für diesen Artikel verarbeitet worden sind, kommen aus Quellen, die der Autor für verlässlich hält, für die er aber nicht garantieren kann. 

Unsere Autoren

Dr. Ernst Konrad
Dr. Ernst Konrad

Geschäftsführender Gesellschafter | Lead Portfoliomanager

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