Der Begriff SPAC gewinnt zunehmend an Popularität in der Presse. Erfolgsgeschichten aus den USA über schlanke und erfolgreiche Börsengänge lassen die Anlegeraugen glänzen. In Europa will sich die Börse Amsterdam als europäische Drehscheibe für diese vermeintlich neuen Vehikel etablieren, in UK werden die regulatorischen Anforderungen gelockert, um SPACs den Weg zu erleichtern, und auch in Deutschland werden die ersten Gelder eingesammelt. Und so rief eines Morgens im Februar auch bei Eyb & Wallwitz ein freundlicher Herr einer amerikanischen Investmentbank an und fragte, ob nicht Interesse an einer SPAC Zeichnung bestehen würde. Höchste Zeit also, dass wir diese Spezies in der Fondswerkstatt einmal näher betrachten.
(Der Einfachheit halber erklären wir SPACs an dieser Stelle in den Grundzügen. Gestaltungsvarianten und Verbesserungen zum Anlegerschutz werden später im Text behandelt.) Die Abkürzung SPAC steht für Special Purpose Acquisition Company, auf Deutsch schlicht und prägnant: Akquisitionszweckunternehmen. Die Manager eines SPAC bringen Kapital in ein Mantel-Unternehmen ein, welches vorerst keine weiteren Geschäftstätigkeiten beinhaltet. Dieses Ursprungskapital ist üblicherweise über Kredite oder andere Finanzierungsformen gehebelt. Um für dieses Vehikel dann weitere Gelder einzusammeln, erfolgt ein Börsengang. Die SPAC Anteile können danach, analog zu einer Aktie, frei an der Börse gehandelt werden. Das Management hat daraufhin 18-24 Monate Zeit, ein geeignetes Übernahmeziel zu identifizieren. Kommt in diesem Zeitraum keine Übernahme und Verschmelzung mit dem SPAC zu Stande, erfolgt eine Auflösung des Vehikels und die Gelder werden zurückgezahlt. Wird hingegen ein geeignetes Unternehmen gefunden, müssen für die Akquisition mindestens 80% der vorhandenen Gelder aufgewendet werden. Die übrige Summe wird anteilig zurückgezahlt. Ist der Akquisitionsprozess erfolgreich vollzogen, besitzt der SPAC Investor nun Anteile an dem neu entstandenen Unternehmen. Das Management erhält als Kompensation Kaufoptionen auf das neue Unternehmen.
Im Jahr 2020 fanden fast 250 SPAC Börsengänge, hauptsächlich in den USA, mit einem Gesamtvolumen von 80 Mrd. USD statt. Bereits Ende Februar 2021 wurde dieses Volumen übertroffen. Auch in Deutschland ging im Februar mit Lakestar SPAC I jüngst ein SPAC an die Börse und sammelte dabei 275 Mio. EUR ein.
Beim klassischen IPO Prozess (Initial Public Offering = Börsengang) beauftragt das Unternehmen mit Börsenambitionen eine oder mehrere Investmentbanken. Diese bewerten in einer umfangreichen Prüfung (due diligence) die Chancen und Risiken des Unternehmens, um eine faire Bewertungsspanne festzustellen. Die Ergebnisse werden im IPO Prospekt zusammengefasst und potenziellen Investoren vorgestellt. Dieser Prozess kann sich über mehrere Wochen erstrecken. Schließlich wird über ein Auktionsverfahren der IPO Preis festgesetzt und das Unternehmen an der Börse platziert. Falls nicht alle Anteile wie geplant an Investoren verkauft werden können, fungiert die Investmentbank als Underwriter und übernimmt die übrigen Anteile in das eigene Depot. Der ganze Prozess eines IPOs dauert mehrere Monate, ist streng reguliert und kostet das Unternehmen 5-8% des Emissionserlöses.
Nun könnte man meinen, dass die Vorteile klar auf Seiten des SPACs liegen: Er geht mit weniger Aufwand und weniger Kosten an die Börse. Es kommt allerdings noch eine Besonderheit hinzu: Welches vielversprechende Unternehmen in welcher Form und zu welchem Preis erworben wird, obliegt der Entscheidung des SPAC Managements und ist den Investoren zum Zeitpunkt des Börsengangs nicht bekannt. Man bezeichnet diesen Part als Blankoscheck, den die Investoren dem SPAC-Management ausstellen. Die Security and Exchange Commission (SEC) fasst dies alles in ihrer Definition so zusammen:
Der Klarheit halber noch einmal: Investoren geben dem SPAC ihr Geld, ohne zu diesem Zeitpunkt zu wissen, welches Unternehmen damit gekauft werden soll. Sie vertrauen somit ganz auf die Kompetenz des SPAC Managements, ein vielversprechendes Unternehmen zu finden. Denn mit der Entscheidung, welches Unternehmen gekauft wird, steht und fällt der gesamte Erfolg des SPAC.
Der 1671 in Edinburgh geborene Ökonom John Law war ein früher Verfechter expansiver Geldpolitik. Er schlug vor, die in dieser Zeit weit verbreitete Geldknappheit (Geld bestand aus Edelmetallmünzen, deren Produktion oft nicht mit dem Wirtschaftswachstum mithielt) durch die Ausgabe von Papiergeld zu beheben, welches durch die Reichtümer in den Kolonien in Übersee gedeckt war.
In dem durch Kriege wirtschaftlich gebeutelten Frankreich trafen Laws Vorschläge auf offenere Ohren. Das Land war nach dem Tod Ludwig XIV. wirtschaftlich und finanziell am Ende. Der Regent zu dieser Zeit, Philippe d’Orléans, sah in Laws Vorschlägen einen Ausweg aus der Misere und erlaubte ihm 1716, die Banque Générale Privée zu gründen. Diese durfte nun Papiergeld sowie verbriefte Unternehmensanteile emittieren. Den Investoren gegenüber wurde versprochen, dass das noch nicht ausgegrabene Gold Amerikas dafür gradestehen würde.
Wenig später emittierte Law Aktien der von ihm neu gegründeten Mississippi Company. Diese sollte aus der französischen Überseekolonie Lousiana schon bald Gold, Silber und andere Reichtümer nach Frankreich bringen und so hohe Gewinne für die Aktionäre abwerfen. Das damalige Louisiana umfasste ein Gebiet vom heutigen Florida bis nach Mexico. Auf dem etwa 3000 Meilen langen Küstenstreifen lebten zu diesem Zeitpunkt circa 700 Europäer. Es gab keine Infrastruktur, keine Minen, keine Reichtümer. Mit anderen Worten, Law gründete vor 300 Jahren ein Investmentvehikel, das vorerst keine weiteren Geschäftstätigkeiten beinhaltete. Für den Emissionspreis von 500 livres mussten Investoren lediglich 75 livres up-front bezahlen. Es kam zu Tumulten in Paris, da man sich um die Anteile buchstäblich schlug (die Investoren wollten unbedingt Blankoschecks ausstellen dürfen). Die Aktien stiegen 1719 auf ihren Höchstwert von 10.000 livres. 1720 wurde das Unternehmen für bankrott und die Aktien für wertlos erklärt. Law verstarb 1729 in armen Verhältnissen auf der Flucht vor seinen Gläubigern in London.
An der Börse gehandelte Vehikel, die nichts als Cash und die Aussicht auf ein gutes Geschäft enthalten, sind also keine neue Erfindung.
Heute sind Aktionärsrechte, Unternehmenskultur und Transparenz wesentliche Bestandteile einer jeden Aktiengesellschaft. Auch die Regulatorik ist so penibel wie nie zuvor. Es besteht also die Hoffnung, dass heutige SPAC Investoren nicht das gleiche Schicksal erleiden werden wie die Aktionäre der Mississippi Company. Auch muss festgehalten werden, dass die Struktur des Investmentvehikels nicht per se schlecht ist. Die Frage ist immer, wer sie wie mit welchem Ziel benutzt. Als Beispiel der jüngsten Geschichte sind hier Asset Backed Securities (ABS, z. B. verbriefte Hypothekenkredite) anzuführen. Diese Art der Strukturierung kann durchaus Sinn machen, dennoch führte deren exzessiver Missbrauch zur Finanzkrise 2008. Heute sind ABS stark reguliert und haben ihren Platz in der Investmentwelt gefunden, wenn auch mit weniger als einem Zehntel des Volumens verglichen mit dem Jahr 2008. Betrachten wir also im Folgenden die jeweiligen Mechanismen von SPACs mit ihren Vor- und Nachteilen.
Heute besitzt das Management einer SPAC nicht die alleinige Entscheidungsgewalt, welche Firma übernommen wird. Je nach Auflagebedingungen des SPAC müssen Mehrheiten von 60-80% der Aktionäre der Transaktion zustimmen. Falls ein Aktionär der Übernahme nicht zustimmt, kann er sein Geld zurückfordern. Die Frage hierbei ist, wie qualifiziert die Abstimmungsentscheidung der Investoren sein kann. Da es keinen klassischen IPO Prospekt und Analystenreports gibt, sind sie auf die Informationen angewiesen, die das SPAC Management zur Verfügung stellt. Die Projektionen für die Geschäftsentwicklung sind nicht reguliert und dem Optimismus sind keine Grenzen gesetzt. So sind beispielsweise vermehrt Unternehmen aus dem Bereich Elektromobilität via SPAC an die Börse gegangen. Drei von ihnen nehmen an, innerhalb von drei Jahren mehr als 10 Mrd. USD Umsatz zu erzielen. Das ist eine Größenordnung, für die Tesla, Facebook und Amazon mehr als zehn Jahre benötigt haben. Am Beispiel Tesla konnte jeder gut beobachten, dass es kein einfacher Weg vom Prototyp zum Massenmarkt ist. Das innerhalb von drei Jahren bewerkstelligen zu wollen, erscheint äußerst ambitioniert.
Kaufoptionen auf die verschmolzene Gesellschaft erhalten in der Regel nicht nur das Management, sondern auch die Erstzeichner des IPOs. Dadurch lässt sich der Wert eines SPACs bis zur Verschmelzung als Zero-Coupon-Bond (der Investor stellt mit dem Blankoscheck max. 24 Monate Kapital zur Verfügung, dieses wird für den Zeitraum diskontiert und bei nicht erfolgter Verschmelzung erhält er sein Kapital zu 100% zurück) plus Kaufoption auf die verschmolzene Firma darstellen. Im Fall einer Nicht-Verschmelzung verfällt die Kaufoption wertlos.
Hierdurch ergibt sich ein Interessenskonflikt bei der Abstimmung zur Verschmelzung mit einem Übernahmekandidaten. Falls der Vorschlag abgelehnt wird und das Management erneut eine geeignete Firma suchen muss, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit für den Investor, dass sein Warrant wertlos verfällt. Deshalb hat er einen Anreiz zuzustimmen, selbst wenn er nicht vom Übernahmekandidaten überzeugt ist. So ist es nicht verwunderlich, dass in der Historie nur 5% aller SPACs am Ende der 24-Monatsfrist ohne Verschmelzung wieder aufgelöst wurden.
Je nach Ausstattung des SPACs muss das Kapital bei nicht erfolgter Verschmelzung nach 18-24 Monaten an die Aktionäre zurückgezahlt werden. Für den Investor bietet das die Gewissheit, innerhalb eines absehbaren Zeitraums zu erfahren, wie sein Kapital investiert werden soll (der typische Zeitraum für Private Equity Funds bis zur Rückzahlung beträgt 7 Jahre). Im schlimmsten Fall erhält er eben sein Geld zurück. Die Gefahr besteht bei dieser zeitlichen Fristsetzung darin, dass das Management hektisch reagieren kann, um die Auflösung ohne Verschmelzung zu vermeiden. Man stelle sich eine boomende Wirtschaft und Börse vor. In so einem Umfeld kann ein SPAC Management versucht sein, auch überhöhte Preise für eine Übernahme zu bezahlen, während ein Investor ohne zeitliche Begrenzung lieber auf die nächste Rezession und günstige Unternehmenspreise warten würde.
Da ein SPAC als Investmentvehikel bereits an der Börse gelistet ist, verfügt es über Flexibilität bei der Finanzierung der potenziellen Übernahme. Es steht die gesamte Klaviatur von Anleiheemissionen, Wandelanleihen bis hin zur Kapitalerhöhung zur Verfügung. Das ist ein klarer Vorteil gegenüber klassischen Börsengängen.
Warren Buffet sagt, dass eine gute Firma auch von einem Idioten gesteuert werden kann. Das ist bei SPACs definitiv anders. Der Erfolg eines SPACs steht und fällt mit der Wahl des Übernahmekandidaten und mit der Entscheidungsqualität des Managements. Folglichist es nicht überraschend, dass SPACs mit prominenter Führungsmannschaft schon vor der Verschmelzung mit einer Prämie gehandelt werden. Ein Beispiel hierfür ist der Pershing Square Tontine A (ISIN: US71531R1095) des erfolgreichen Hedge Fund Managers Bill Ackman. Gerüchteweise soll der Informationsdienstleister Bloomberg mit dem SPAC verschmolzen werden. Das Pershing Square Tontine SPAC ging im September 2020 an die Börse und sammelte dabei 4 Mrd. USD ein. Seitdem wurde das SPAC mit bis zu 70% Prämie gehandelt.
Ein Pluspunkt für gut strukturierte SPACs ist die hohe Interessensgleichheit zwischen Management und Investoren. Beide Gruppen besitzen Warrants an dem verschmolzenen Unternehmen und so hat das Management das höchste Eigeninteresse an einem erfolgreichen Übernahmekandidaten.
Die mit Abstand größte Investorengruppe in SPACs sind Hedge Funds. Interessanterweise nimmt gleichzeitig auch das Volumen an Leerverkäufen von SPACs durch Hedge Funds zu. Das ist umso bemerkenswerter, da die durchschnittliche Platzierungsgröße der 248 SPACs in 2020 grade einmal 336 Mio. USD betrug. Das sind Small Cap Aktien, in denen sich milliardenschwere Hedge Funds tummeln. Bildlich kann man sich das als kleine Arena vorstellen, in der jeder Streiter mit einer Bazooka bewaffnet ist.
Die Antwort lautet wie immer: Es kommt darauf an. Das Investmentvehikel ist eine charmante Art, Unternehmen rasch und unbürokratisch an die Börse zu bringen. Falls sich die Gerüchte um Bill Akmans SPAC bewahrheiten sollten und es tatsächlich Bloomberg an die Börse bringt, wäre das sogar eine Aktie, die unsere Schumpeter Selektionskriterien erfüllen würde. Bloomberg ist ein weltweites Netzwerk für Börseninformation und Nachrichten, mit sehr hohen Einstiegshürden und wiederkehrenden Cashflows. Wir sind selbst seit vielen Jahren zufriedener Kunde. Der Marktwert wird auf 12 Mrd. USD geschätzt. Das bedeutet, das SPAC wäre mit seinen 4 Mrd. USD nach der Verschmelzung Minderheitsaktionär. Das etablierte Management bei Bloomberg könnte also die solide Arbeit fortsetzen, ohne vom SPAC Management dominiert zu werden. So ein Unternehmen könnte den Weg in unser Portfolio finden. Ein weiteres positives Beispiel für einen erfolgreichen SPAC ist übrigens der Streaminganbieter Spotify. Es bleibt das Aber: Bei aller positiver Reputation und den besten Absichten des SPAC Managements – zum Zeitpunkt der Zeichnung – ist es ein Blankocheck für eine Black Box. An derartigen Spekulationen beteiligen wir uns mit den uns anvertrauten Geldern nicht. Deshalb werden wir keine SPACs zeichnen.
Doch was bedeutet das nun für den privaten Anleger, der doch versucht ist zu zeichnen? Neben den beschriebenen positiven Beispielen sind fast 500 weitere SPACs in den letzten 15 Monaten an die Börse gegangen. Es sind Zweifel angebracht, ob es 500 exzellente Management Teams und 500 sehr gut geeignete Übernahmekandidaten gibt. Zudem sollte das hohe Engagement der Hedge Funds zu denken geben. Um auf das Bild der Arena zurückzukommen, dort wäre der Kleinanleger die Ameise.
Wir glauben, dass SPACs eine ähnliche Entwicklung erleben werden wie Asset Backed Securities. Nach dem aktuellen Boom folgt eine Phase der Konsolidierung. Bei dieser werden schlecht verwaltete SPACs, die lediglich auf der Welle mitgeschwommen sind, wieder verschwinden. Das große Mittelfeld wird genau das sein: Mittelmäßig. Die seriösen und erfolgreichen SPACs werden hoffentlich als Vorbild für weitere Transaktionen in der Zukunft dienen. Wenn durch weiter verbesserte Corporate Governance Prozesse und Regulatorik die bestehenden Interessenskonflikte entschärft werden, dann werden auch SPACs ihren festen Platz in der Investmentwelt finden.